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Kindertagesstätte · Jena

Projektbeschreibung

Der städtische Kindergarten Scharnhorststrasse stellt den ersten Kindergartenneubau seit der Wende in Jena dar.

Der Baukörper ist ein zweigeschossiger Solitär, der auf dem Grundstück in den vorhandenen, schönen Baumbestand eingepasst wurde.

Der Zugang erfolgt über einen Zufahrtsweg, von den umliegenden Strassen abgesetzt und von Sozialtrakt und Personalbereich hofartig umschlossen.

Die 9 Gruppenräume sind auf zwei Ebenen um einen zentral gelegenen Atriums-, und Bewegungsraum angeordnet.

Dieser Bereich erhält von drei Seiten über zweigeschossige Lufträume, die vertikal verglast, über die Dachebene hinausreichenden Oberlichtern münden, hinreichend Licht.

Jeder Gruppenraum umschließt mit einem L-förmigen Grundriss eine Terrasse oder einen Lichthof. Durch das Drehen der Ausrichtung der Räume wird der Baukörper gegliedert, die kubische Grundform bleibt aber erhalten.

In den Gruppenräumen ist die L-Grundform wiederum untergliedert in zwei, über die Diagonale verzahnte Quadrate. So entsteht eine Sequenz von kleinmaßstäblichen Räumen ohne ein alles dominierendes Raumzentrum oder eine Axialsymmetrie.

Der Windfang ist so dimensioniert, dass in ihm Kinderwagen abgestellt werden können. Nach außen zum Zufahrtsweg ist er verglast.

So werden trotz aller Kleinmaßstäblichkeit der Raumsegmente mittels Öffnungen und Verglasungen unerwartete Sichtmöglichkeiten geschaffen. Sowohl in den Räumen, als auch nach oben in den Himmel, als auch durch mehrere Räume, als auch durch kleine Glasausschnitte in den ansonsten geschlossenen Geländern, als auch in den Garten.

Bewusst wurden bei der Farbgestaltung nur die Außenwände farbig gehalten. Der Innenraum ist weiß verputzt und mit Materialfarben gestaltet. Kräftige Farbtöne wurden als eigenständige Farbflächen auf den Gebäudekuben aufgebracht. Sie scheinen mit ihrer Farbigkeit von außen nach innen und erzeugen so eine Interiorisierung der Außenwelt.

Die Architektensprache ist nicht von bildhaften Symbolen einer Kinderwelt geprägt. Es geht vielmehr im Sinne von Aldo van Eyck um "Raum als Erfahrung davon".

Text: Robert Wurm


Kindertagesstätte

Architekten: Architekturbüro Robert Wurm, Jena

Kritik: Hannes Hubrich

Gelb und Rot und Weiß. Fröhlich bunt gestapelte Kisten unter hohen Bäumen. Um ein markantes Image bedarf es bei diesem Kindergartenneubau gewiss keiner Sorge. Nach dem ersten Eindruck offenbart sich die strukturell betonte Form als maßstäblich angemessene Kombination geschlossener und offener Raumvolumen von etwa gleicher Größe. Die letzteren sind, als eingebaute oder überbaute Terrassen besonders geschätzte Aufenthalts- und Übergangsräume in den Garten. Die kantige Sachlichkeit der kubischen Formen wird zuweilen durch die großzügige Verglasung zusätzlich betont. In der äußeren Erscheinung sind daher, neben der kräftigen Farbgebung, die schräg ausstellbaren Sonnenschutzrollos eine angenehm 'luftig' wirkende Zutat.

Städtebaulich weniger ambitioniert, besetzt das Gebäude die Mitte des Grundstücks. Das schafft jedoch Abstand zur Straße, bewahrte einen wertvollen alten Baumbestand und erlaubte eine interessante Folge unterschiedlicher Spielund Grünräume rings um das Haus. Im Innern hat man stets das Gefühl, von einem Park umgeben zu sein. Dem Bewegungs- und Entdeckungsdrang der Kinder wird dabei einiges geboten. Ein über Natursteine geführter Wasserlauf mit Pumpe und regulierbarer Staustufe regt hier auch den Spielsinn des erwachsenen Betrachters an.

Zugang und Zufahrt erfolgen von einer Nebenstraße. Die Eingangssituation, mit gepflastertem Vorhof und von Bäumen beschattet, beeindruckt in bester Tradition der Moderne. Ein breit verglaster Windfang ist zugleich übersichtlicher Abstellplatz für Kinderwagen. Der anschließende Foyerbereich ist das Zentrum des Hauses. Über zwei Ebenen, vielfach nutzbar zum Umkleiden, zur Kommunikation und für gemeinsame Aktivitäten, wird er durch zwei Atrien, eine Lichtfuge und die umlaufende Verglasung des Treppenraums gut belichtet. Hier gibt es eine beliebte Spieltreppe zum Vortragen und Theaterspielen, ein Bambusgärtchen im Atrium und originelle runde Sitzpodeste, deren verglaste Durchsicht zur unteren Ebene schon kommunikative Bedeutung bei den Kindern erlangt hat.

Bei der Gestaltung der 8 Gruppenräume wird wieder das strukturelle Konzept des Entwurfs deutlich. Der jeweils L- förmige Grundriss um eine Terrasse oder ein Atrium bietet ambivalente Raumzonen, die im Tagesablauf verschieden zugeordnet und genutzt werden können. Dem folgt wiederum die rationelle Anordnung der Nebenfunktionen und Einbauelemente. Eine Kinderküche und eine Spielempore je Gruppenraum ergänzen die praktische wie ideenreiche Ausstattung. Ein neunter Gruppenraum im Erdgeschoß dient als 'Bewegungsraum' und beruhigt damit das Foyer.

Vieles zeugt hier von einer intensiven Auseinandersetzung mit den kindlichen Entwikklungsbedürfnissen. Zum einen bietet das Konzept eine klare Raumordnung mit großen Öffnungen, die wohltuend Licht und Übersicht nach außen wie im Innern gewähren. Zugleich bewirkt die Vielfalt der Sichtbezüge auch eine optische Vervielfältigung der Räumlichkeit, die durch die gewählte Form der Räume, ihre maßvolle Dimensionierung und durch die nötigen Wände, Flure und Treppen sich noch verstärkt. Das gibt dem Haus auch eine labyrinthische, geheimnisvolle Komponente, die zu vielseitiger Entdeckung und Aneignung reizt.

Damit sollte die neue Kindertagesstätte für Kinder wie Erzieherinnen auf Dauer anregend, praktisch und wohnlich sein. Das Verdienst der Autoren ist, dafür eine vorzügliche architektonische Grundlage bereitet zu haben.

Projektdaten

Adresse

Scharnhorststraße 1
Jena

Bauherr

gewerblich

Fertigstellung

2002

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Zugeordnete Schlagworte und Sammlungen

Letzte Aktualisierung dieser Seite am: 15.03.2018. Alle Angaben auf dieser Seite werden durch das Büro auf freiwilliger Basis verwaltet. Das Büro ist für den Inhalt dieser Seite selbst verantwortlich. Die Angaben werden von der Architektenkammer Thüringen nicht geprüft.

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