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Landschaftsräume - Stadträume

Beitrag von Worschech Partner Architekten zur Ausstellung www.erfurt-am-wasser.de

Das Erfurter Rieth
Die mittelalterliche Stadt Erfurt hatte klare Grenzen zur umgebenden Landschaft. Aus der Ferne kommend wurde man durch die Silhouette von Dom und Severikirche zu den Stadttoren geführt. Die Gera, an deren Furt die Besiedlung begann, verbindet Stadt und Landschaft noch heute, wenn auch in anderer Qualität. Nicht durchgehend besser. Durch das Wachstum der Stadt wurden die Grenzen zur Landschaft verwischt. Die charakteristische, identitätsstiftende Rolle des Flusses ist verlorengegangen. Dazu gehörten auch die weit ausgedehnten Überschwemmungs- und Schilfgebiete im Norden - dem noch heute so genannten RIETH. Dieser Stadtteil in den ehemaligen Flußauen wurde als Plattenbausiedlung in den 70er Jahren des 20.Jahrhunderts baulich verdichtet und im Zuge dessen die natürliche Flußlandschaft im wesentlichen verdrängt. Die Anfänge dieser Zersiedlung hatten jedoch mit der Industrialisierung Ende 19.Jh./erste Hälfte 20.Jh. ihren Ursprung. Der Wiederaufbau und Ausbau der Großbetriebe nach dem 2. Weltkrieg hatte den Ansiedlungsdruck für deren Beschäftigte in der Nähe noch erhöht. Die Einwohnerzahl des Stadtgebietes Rieth ist seit 1990 um ca. 35 % gesunken. Ehemalige Großbetriebe existieren nicht mehr oder in stark verkleinerter Form und mit deutlich weniger Beschäftigten. Dieser Prozess führt zur weiteren Abwanderungen, zu sozial und städtebaulich fragwürdigen Zuständen sowie hohen wohnungs- und stadtwirtschaftlichen Risiken. Die Wohnungswirtschaft hat mit Stillegungen und Abrissmaßnahmen reagiert. Diese aus rein wirtschaftlicher Notwendigkeit resultierenden Maßnahmen sind mit Strategien zur Wohnumfeld-Verbesserung verbunden, die jedoch im Wege der Umsetzung kaum einen neuen Grundcharakter erzeugen. Angeregt durch das Bild des zurückgewonnen Freiraums mit Blickbeziehungen, die über das bisher erfahrbare Maß weit hinausgehen, erwächst die Idee der konsequenten Remodulierung des Landschaftsraums in der Stadt. Als Begleitthema dazu kann das Element Wasser wiedereingeführt werden. Mit sparsamen Mittel sind auch in dieser Situation erhebliche Verbesserungen zu erreichen: Die bestehende Bebauung sollte nicht lochartig sondern inselhaft dazu führen, dass einzelne, relativ dichte, auch in der Landschaft markante, gebaute Schwerpunkte verbleiben. Die zurückgewonnenen Freiflächen werden so angelegt, dass hier autarke Auen– und Landschafsträume sukzessive entstehen können. Der Lauf der Gera wird aufgeweitet. Es entstehen große Wasserflächen, Inseln und temporäre Wasserlandschaften, je nach Jahreszeit. Hochwasserschutz ist dann Synergieeffekt. Die Wasserflächen sind von den Uferpromenaden und Brücken erlebbar. Die Ufer werden mit Rändern aus Großgrün betont. Neben den Wasserflächen ergänzen kultivierte Naturräume im Sinne des Landschaftsgartens die Erlebnisvielfalt. Die ehemaligen Bauflächen werden konsequent entsiegelt, nur die notwendigsten Straßenverbindungen bleiben bestehen. Die Abrissmengen der nicht mehr benötigten Gebäude und Strassen können – wiederum auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit - vor Ort verbleiben: die abgerissene Baumasse wird zu Hügeln in der Landschaft modelliert. In dieser aufgewerteten Landschaft sind unter Nutzung der bestehenden Erschließung auch neue, differenziertere und v.a. kleinteiligere Bebauungsstrukturen integrierbar.

veröffentlicht am 26.10.2004 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Stiftung Baukultur Thüringen

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